Eine Immobilie zu Lebzeiten zu übertragen, bedeutet nicht zwangsläufig, dass man Wohnung oder Haus sofort an andere weitergibt: Wer eine Nießbrauchsregelung trifft, sichert sich die Möglichkeit, die Immobilie weiterhin zu nutzen.
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Millionen Deutsche haben in der einen oder anderen Form Eigentum an Immobilien, das sie zu eigenen Wohnzwecken nutzen oder auch weitervermieten. Immobilieneigentum zu haben, bedeutet in der Regel eine Menge Arbeit: Stets ist irgendetwas zu reparieren und instand zu setzen, zu organisieren oder zu verwalten. Es bedeutet im Gegenzug aber auch wirtschaftliche und persönliche Freiheit, denn seit Jahren steigen die Immobilienwerte kontinuierlich, und das nicht nur in den Ballungsgebieten. Diese Wertsteigerung stellt so lange kein Problem dar, bis es an die Weitergabe der Immobilien an die kommende Generation geht. Dann kann es aber umso wichtiger sein, die Bedeutung und Wirkung von Nießbrauch zu kennen. Mit Nießbrauch (einige kennen diesen auch unter der Bezeichnung Nutznieß), ist nichts anderes gemeint, als das Recht, eine Immobilie ohne Einschränkungen wirtschaftlich nutzen zu können. Besonders beim Übergang von Immobilien spielt der Nießbrauch eine wichtige Rolle.
Ein Beispiel: Ein Elternpaar möchte seine Immobilie auf ein Kind übertragen, gleichzeitig aber weiterhin in dieser Immobilie wohnen. Um eine umständliche Vertragskonstruktion mit Miet- oder Nutzungsverträgen (die in einigen wenigen Fällen Vorteile gegenüber dem Nießbrauch haben können) zu vermeiden, übertragen die Eltern nur die Immobilie; das Recht, die Immobilie nutzen zu können verbleibt bei den Eltern und geht nicht auf das Kind über. Für die Eltern ändert sich im praktischen Alltag nichts. Sie wohnen weiterhin in der Immobilie und regeln alle relevanten Dinge mit den Versorgern und dem Finanzamt wie vor der Übertragung auch. Das Kind hat eine Immobilie, kann diese aber nicht selbst nutzen. Der Vorteil für die Eltern liegt klar auf der Hand. Doch worin liegt der Vorteil für das Kind? Es hat durch die Überschreibung der Immobilie die Sicherheit, dass diese nicht doch noch irgendwo anders hingeht. Gleichzeitig sind alle erbschaftssteuerlichen Probleme durch eventuelle Gesetzesänderungen, Anhebung von Steuersätzen in der Erbschaftssteuer, Wegfall der derzeit noch geltenden Familienheimregelung und Überschreiten von Freibeträgen durch weitere Wertsteigerung von Immobilien usw. für das Kind nicht mehr relevant, da das Eigentum bereits beim Kind ist.
Wird eine Immobilie weitergegeben, ganz gleich, ob durch Verkauf oder Schenkung mit und ohne Gegenleistung, wird zunächst ihr Wert ermittelt. Je nach Immobilienart sind unterschiedliche Bewertungsverfahren vorgeschrieben. Der ermittelte Wert wird vom Finanzamt zur Festsetzung der Steuern herangezogen. Behält sich der vormalige Eigentümer den Nießbrauch an der Immobilie vor, so reduziert sich der Übertragungswert um den Wert dieses Nießbrauchs. Der Nießbrauchwert kann nicht nur auf den Cent genau ausgerechnet werden, der ermittelte Wert ist dem Finanzamt auch vorzulegen.
Ja, es gibt sogar einen großen Unterschied zwischen Nießbrauch und Wohnrecht. Das Wohnrecht umfasst nur das Recht, nach der Übertragung weiterhin in der Immobilie wohnen bleiben zu können. Wer auszieht, hat keine Möglichkeit, das Wohnrecht an andere abzutreten. Wer über das Nießbrauchrecht verfügt, kann in der Immobilie wohnen, muss dies aber nicht. Er hat auch die Option, die Immobilie weiterzuvermieten und den Mietertrag für sich einzunehmen. Praktisch gesehen kann er, obwohl er nicht mehr Eigentümer ist, alle Rechte und Pflichten eines Vermieters wahrnehmen.
Der Nießbrauch einer Immobilie ist im Bürgerlichen Gesetzbuch ab § 1030 BGB geregelt und bedeutet, dass jemand die Berechtigung besitzt, die Immobilie selbst zu nutzen oder zu vermieten – obwohl sie ihm nicht gehört. Doch was bedeutet das für Sie und wie können Sie jemanden als Nießbraucher einsetzen oder selbst Nießbraucher einer Immobilie werden?
Wir haben einige grundlegende Infos für Sie zusammengestellt, doch jeder Fall gestaltet sich völlig individuell. Allein die Berechnung des Kapitalwertes des Nießbrauchs muss sorgfältig erfolgen, auch, da der Nießbrauch im Rahmen des Immobilienübergangs dem Finanzamt zu Prüfung vorgelegt wird.
Grundsätzlich können Sie jedem Nichteigentümer ein Nießbrauchrecht einräumen, dass dann automatisch mit dessen Tod endet. Dieses Recht bedarf nicht nur der Schriftform, sondern der notariellen Beurkundung mit einer Eintragung ins Grundbuch. Der Nießbrauch einer Immobilie oder eines anderen Objektes lässt sich muss nicht unbegrenzt erfolgen, es ist auch zeitlich begrenzbar und ist in unterschiedlichen Formen möglich:
Sie haben hier also einen großen Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen Sie den Nießbrauch Ihrer Immobilie festlegen können.
Welche Steuern dafür anfallen, ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig.
Was es beim Nießbrauch alles zu beachten gibt, lässt sich nicht in wenigen Minuten erklären. Laien fehlt hier oft die Übersicht und bei der komplexen Materie und den vielen juristischen Feinheiten ist das auch kein Wunder.
Abgesehen von individuellen Besonderheiten kann ein Eigentümer jedem den Nießbrauch für sein Haus einräumen. Derjenige darf darin wohnen oder es weitermieten und die Mieteinnahmen behalten. Das Nießbrauchrecht ist im Grundbuch einzutragen. Wenn Kinder schon zu Lebzeiten das Elternhaus übernehmen, die Eltern aber darin weiter wohnen, erhalten diese das Nießbrauchrecht.
Ein ergänzender Hinweis zum Schluss: Entgegen weit verbreiteter Meinung hört das Nießbrauchrecht nicht unbedingt mit dem Tod auf: Es gibt durchaus Gestaltungsmöglichkeiten, das Nießbrauchrecht nach dem Tod bestimmten anderen Empfängern zukommen zu lassen. Dies muss allerdings im Rahmen der Nachlassplanung geregelt werden.
Wenn Sie den Nießbrauch zu Lebzeiten einer späteren Vererbung der Immobilie vorziehen, sparen Sie Schenkungssteuer. Sie können auch die Immobilie an die Kinder verschenken und selbst darin wohnen, also das Nießbrauchrecht für sich beanspruchen. Da es hier sehr viel zu beachten und abzuwägen gibt, sollten Sie sich unbedingt von einem Fachanwalt oder einem Notar individuell beraten lassen!
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